Fragtest du mich, worunter ich leide, so schwiege ich von den Einsamkeiten, die mich befallen, selbst unter Menschen, deren Hände und Worte warm sind und weich wie der Duft der Magnolie. Auch von durchbangten Nächten, in denen ich manches Unheil erwartete das niemals eintrat, schwiege ich, wie von den Tagen, an denen ich blind für das Wunder blieb, das mich atmend umspinnt. Ich spräche nicht von den Wunden und Narben, von denen ich ahne dass sie mich zeichnen, doch nicht entstellen, und...
Morgen beginnt die Fastenzeit. Ich möchte an dieser Stelle herzlich zu meinem viertägigen Seminar einladen, in dem wir - passend zur Passionszeit - etwas sehr unpopuläres tun: wir schauen beherzt auf unsere Wunden, auf unseren Schmerz, unsere Angst, unsere Scham, und üben einen kreativen, meditativen und konstruktiven Umgang mit unserer Verwundbarkeit. Vielfach lassen wir uns in spirituellen Milieus zu der Annahme verleiten, Glück und positive Gestimmtheit seien Ziele, die um jeden Preis...
Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen. Die erste und tiefste Wunde des Menschen: die Trennung. Dem Dunkel des bergenden Mutterschoßes entrissen. Getrennt von der Schnur, die uns vereinte. Getrennt vom Empfinden, Welt zu sein. Getrennt vom Freund, der geht, vom Geliebten, der uns verlässt, getrennt vom Glauben, der unerschütterlich schien, und von der Freude, die kein Ende ahnen liess. Getrennt von uns selbst in tausend inneren Kämpfen. Alles Werden ist ein Werden in die...
Am Sonntag war es mir eine Freude, in der Hamburger Kirche der Stille eine Gruppe durch Bildmeditationen zur Passionszeit und durch die Frage zu begleiten, welche menschlichen Wunden unser Leben maßgeblich prägen. Die Wunde - Ort der Ohnmacht und der Schmerzen. Aber auch Ort, an dem das tragende Licht der Gottesgegenwart immer schon verheissungsvoll aufscheint. Die Wunde bewusst zu tragen und uns so von verstrickenden Projektionen und Vermeidungsstrategien zu befreien ist möglich - der...
Wo willst Du Deine Müdigkeit hinlegen wenn nicht in Gottes Ruhen, wohin Deinen Eifer wenn nicht in die Stürme des Herbst. Wo knurrt Dein Hunger wenn nicht im Brennen der Fragen, wo seufzt Deine Reue wenn nicht an den steinernen Türmen der Versäumnisse. Du bist nicht Innenwelt, Du liegst ausgestreckt über der wunden Erde, weizengelb bist Du den Raben ausgesetzt, und die Sohlen der Menschen ebnen Wege auf Deiner Haut. Du bist Welt, die sich die Pforte zum Alleinsein zugesperrt hat, aus Liebe...
Alle Dinge breiten ihre Schwingen, geben ihre Herzenskammer preis. Nur ein ungezähmtes Meer kann singen, was die Möwe, was die Muschel weiss: Nur die offne Wunde kann gesunden, nur der Riss im Dunkel ruft den Stern. Nur die Hoffnung bricht das Glas der Stunden, sieh, die Ewigkeit war Dir nie fern. Nur die offne Erde kann empfangen, wenn der Samen in ihr Dunkel fällt. Nur das offne Herz fühlt dies Verlangen, Schoß zu sein für eine neue Welt. Alle Dinge breiten ihre Flügel, geben ihre...