Am vergangenen Wochenende war es soweit und die Uraufführung des neuen Helge Burggrabe Oratoriums „Katharina“ stand im Züricher Fraumünster bevor. Ich hatte die Ehre, für dieses neue Oratorium über Aufbruch und Erneuerung und die letzte Züricher Äbtissin Katharina von Zimmern mit Helge zusammenzuarbeiten, da er mich für die Libretto-Texte angefragt hatte. Der gesamte Entstehungsprozess war für mich eine so spannende innere Reise, weil es genau das Thema berührte, mich dem ich seit...
Als Teenagerin ging ich einmal durch den Garten eines Klosters, in dem ich an Exerzitien teilnahm. Es war schon später Abend und recht dunkel, und ich war ganz allein und in Gedanken versunken, als ich an einer steinernen Marienstatue vorbeikam. Der weiße Stein, aus dem sie gemeißelt war, hob sich in der Abenddunkelheit gut sichtbar hervor, und ich blieb einen Moment vor ihr stehen, um mir ihr Gesicht anzusehen. Es war eine Maria Immaculata Darstellung. Ihre Züge waren innerlich und...
Als ich 16 Jahre alt war, sagte ein Jesuitenpater zu mir "Es gehört zu den schwersten Dingen im Leben, zu lernen dass man dem Anderen das Kreuz nicht abnehmen kann, das er trägt." Schrecklich eigentlich, dass das Bild von einem Mann, der sein Folter- und Sterbeinstrument auf dem Rücken trägt, halbtot geprügelt und restlos ausgeliefert, in unserem kulturellen Gedächtnis zur Blaupause eines Menschen geworden ist, der seine Leiden annimmt und bis zum Ende und dem "Danach" durchfühlt. Ich...
Noch während du dich gottverlassen fühlst legt die Spinne, deren Netz deine Traurigkeit hören kann, einen neuen Faden an. Noch während du deine Einsamkeit bedauerst, hält das Lied des Zeisigs deinen Mut aufrecht, und schimmert der Tautropfen, in dem ein ganzes All lebendig ist, deinem Blick entgegen. Noch während du nach einem Wort suchst, das deinem Schmerz einen Namen gibt, rufen die Steine den Regen und einen sanften Wind herbei, damit der Petrichor dir warmen Trost in deine Sinne...
Wo willst Du Deine Müdigkeit hinlegen wenn nicht in Gottes Ruhen, wohin Deinen Eifer wenn nicht in die Stürme des Herbst. Wo knurrt Dein Hunger wenn nicht im Brennen der Fragen, wo seufzt Deine Reue wenn nicht an den steinernen Türmen der Versäumnisse. Du bist nicht Innenwelt, Du liegst ausgestreckt über der wunden Erde, weizengelb bist Du den Raben ausgesetzt, und die Sohlen der Menschen ebnen Wege auf Deiner Haut. Du bist Welt, die sich die Pforte zum Alleinsein zugesperrt hat, aus Liebe...
Atme auf (Segensworte nach einem Suizid) Wie viele Untröstlichkeiten hast Du wohl gesammelt mit den Jahren, wie viele Bitten für unaussprechlich gehalten in unserer Mitte, wie viele Male das Sterben vertagt, mit einem Rest Hoffnung als Kissen in schlaflosem Träumen von Tagen, die wirtlicher sind. Ein Sterben wie Deines ist schwer zu ertragen, weil es sagt, dass mitten im Leben das Morgen Dir schon verloren schien. Wohin nun mit den Worten, die trösten und stärken, wohin mit den Gesten, die...